Zum Tod von Maria Mies.
Zum Tode von Maria Mies.
In Memoriam Maria Mies
Von Amir Mortasawi und Rainer Andreas Seemann.
Liebe Freunde meines Autorenblogs,
liebe interessierte Leserinnen und Leser,
soeben erreicht mich die Nachricht von Amir Mortasawi, dass die großartige deutsche Soziologin Maria Mies verstorben ist. Sie publizierte feministische, ökologische und entwicklungspolitische Bücher, die international beachtet wurden. Sie war Professorin der Fachhochschule Köln und als strikte Gegnerin der Globalisierung bekannt. Bis ins hohe Alter engagierte sie sich bei „feministAttac“, einem Frauennetz von Attac. Die Nachricht von Ihrem Tode erreichte uns durch eine E-Mail Ihres Mannes, Saral Sarkar, der schrieb:
„Liebe Freunde, liebe Verwandte,
in tiefer Trauer und mit Augen voller Tränen möchte ich Euch/Ihnen mitteilen, dass Maria, meine Frau gestorben ist. Nach einem etwa einwöchigen leichten Leiden an Verletzungen ist sie in der Nacht vom 14. zum 15. Mai, gegen 3 Uhr morgens für immer eingeschlafen.
Über Ihr Wirken.
Quelle: Wikipedia.
Maria Mies war das siebte von zwölf Geschwistern und wuchs in der Vulkaneifel auf. In den 1960er-Jahren arbeitete sie fünf Jahre lang am Goethe-Institut in Indien. Seit den späten 1960er-Jahren war sie in der Frauenbewegung und der Frauenforschung aktiv. 1979 begründete sie am Institute of Social Studies in Den Haag (Niederlande) den Schwerpunkt Women and Development. Ihre Forschungsschwerpunkte: Methoden der Frauenforschung, Landfrauen in der Ersten und Dritten Welt, Kapitalismus und Subsistenz, Kritik der Gentechnik, Alternativen zur globalisierten Wirtschaft. Die Philosophin Annegret Stopczyk schrieb in ihrem Buch Sophias Leib über sie: „Maria Mies, eine Professorin, die in den siebziger Jahren radikale Wissenschaftskritik übte und den ‚Subjektiven Faktor‘ der Forschenden einforderte (1984), ist von wissenschaftsimmanenten Karrierefrauen heftig attackiert und isoliert worden.“
Gemeinsam mit Studierenden der Fachhochschule Köln initiierte und gründete Maria Mies 1976 in Köln das erste autonome Frauenhaus der Bundesrepublik.
1993 wurde Maria Mies emeritiert, war aber unvermindert aktiv in der feministischen und globalisierungskritischen Bewegung, zum Beispiel bei Attac Köln, – wobei sie im Unterschied zu vielen Mitstreitern etwa bei Attac Wert darauf legte, nicht Globalisierungskritikerin, sondern Globalisierungsgegnerin genannt zu werden, wobei sie den Ansatz Lokalisieren statt Globalisieren vertrat.
Maria Mies war in Deutschland Mitbegründerin des Komitees Widerstand gegen das MAI mit, das die bundesdeutsche Öffentlichkeit erstmals über das OECD-Abkommen Multilateral Agreement on Investment (MAI) informiert hat. Dieses kam schließlich zu Fall, nachdem Frankreich auf Distanz dazu gegangen war. Ähnliche Ziele werden aber weiterhin durch das WTO-Abkommen über die Privatisierung von Dienstleistungen und öffentlichen Gütern (GATS) verfolgt. Mies‘ Kritik richtete sich gegen die unzureichende demokratische Kontrolle internationaler Finanz- und Handelsinstitutionen wie WTO, IWF und Weltbank, aber auch der EU, die zu weltweiter Verarmung führe. Generell trug sie frühzeitig zur internationalen Vernetzung der globalisierungskritischen Bewegung bei. Seit Ende der 1990er-Jahre beschäftigte sie sich besonders mit dem Zusammenhang zwischen neoliberaler, konzerngesteuerter Globalisierung und den neuen permanenten Kriegen.
Sie war im Jahr 2008 Mitinitiatorin des „Kölner Aufrufs gegen Computergewalt“, in dem zum Verbot von „Killerspielen“ aufgerufen wurde.
Maria Mies war verheiratet mit dem indischen Wissenschaftler Saral Sarkar, mit dem sie in Köln lebte. Ihren Vorlass übergab sie dem Kölner Frauengeschichtsverein, der diesen kontinuierlich erschließt. Sie starb am 15. Mai 2023 und wird am 25. Mai 2023 auf dem Kölner Südfriedhof beigesetzt.
Lassen Sie sich patentieren! Maria Mies, Köln 1996
Anlässlich des 85. Geburtstages von Prof. em. Maria Mies [1] und nach Rücksprache mit ihr erfolgt die Wiedergabe eines Textes, der 1996 aus Protest gegen die Patentierung des Neem-Baumes in Indien durch einen amerikanischen Wissenschaftler verfasst wurde [2-4]. Das EU-Patentamt zog im weiteren Verlauf die Anerkennung dieses Patentes zurück.
۞۞۞
Anmerkungen:
[1] https://amirmortasawi.wordpress.com/category/maria-mies/
[2] Das Krokodil, Ausgabe 0, März 2012
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Niembaum
[4] https://www.youtube.com/watch?v=3ckzkNdOHtA
Lassen Sie sich patentieren!
Maria Mies, Köln 1996
© Common Intellectual Property of People with Resistance Genes (CIPPRG)
(Zu singen auf die Melodie: Freude, schöner Götterfunken)
1.
Lassen Sie sich patentieren,
denn Sie sind ein Kapital.
Ihre Leber, Ihre Nieren,
Ihre Gene allzumal.
Lassen Sie sich patentieren,
denn es gibt Sie nur einmal.
Eh‘ die Multis Sie sezieren,
haben Sie die erste Wahl.
2.
Gene, Gene und Patente,
ja, das ist der neuste Hit.
Ja, das bringt die beste Rente.
Machen Sie beim Reibach mit.
Was da kreucht und fleucht auf Erden,
was da blüht auf dieser Welt –
alles muss zur Ware werden.
Alle Ware wird zu Geld.
3.
Merck, Monsanto, Ciba Geigy,
Hoechst und Bayer machen mit,
bei der Jagd auf die Patente,
bei dem Run auf den Profit.
Diese großen neuen Mütter
schaffen Nahrung, heilen Schmerz.
Wenn nur die Bilanzen stimmen,
brauchen sie kein Menschenherz.
4.
Dieses schöne neue Leben
bringt nicht die Natur hervor.
Kinder schaffen nicht mehr Frauen,
die entstehen im Labor.
Die Natur wird überflüssig
hier in diesem Jammertal.
Uns’re Mutter ist die Technik,
Vater ist Herr Kapital.
5.
Denn was ist denn schon ein Leben
in dem ew’gen Einerlei.
Doch Ihr Gen, das lebt ja ewig,
ist es erst vom Körper frei.
Freiheit, die das Gen bescheret,
frisch auf Ihrer Samenbank,
wo es dann den Fortschritt mehret,
sagen wir den Multis Dank.
۞۞۞
Im nächsten Abschnitt finden Sie noch einige Gedichte von Amir Mortasawi, die er für Sie geschrieben hat.
Spuren im Schnee
(12.2.2018)
für Maria
Durch Schnee bedeckte Felder wandernd
unser letztes Gespräch im Sinn
denke ich über deine Vergesslichkeit nach
über das unvermeidlich Kommende
im Lichte deiner bewegenden Vergangenheit
Der weiße Pfad trägt hier und da
Spuren von Raben, Menschen und Hunden
Die Früchte deines Lebens
sind keine Spuren im Schnee
die einfach wegschmelzen
zertreten oder verweht werden
Sie sind Lichtknospen
die Menschen wie ich
im Herzen tragen
֎֎֎
Wind, Wolken, Tränen
(8.10.2017)
für Maria
Mitten im Gedränge der Reisenden
singst du mir auf dem Bahnsteig das Lied
das du einst deinem Liebsten
geschrieben und wiederholt gesungen hast
und bewegst dabei deine Hände
Freude und Wärme strahlend
wie eine Chorleiterin
„DIE WOLKEN KOMMEN VON WESTEN HER
DIE WOLKEN KOMMEN VON WESTEN HER
SIE BRINGEN UNS DEN REGEN
SIE BRINGEN UNS DEN REGEN
DIE WOLKEN KOMMEN, DIE WOLKEN GEHN
SIE BLEIBEN AN KEINEM ORTE STEHN
SIE MÜSSEN SICH BEWEGEN
SIE MÜSSEN SICH BEWEGEN
ICH KOMME MIT DEN WOLKEN ZU DIR
ICH KOMME MIT DEN WOLKEN ZU DIR
ICH BRINGE DIR DAS LEBEN
ICH BRINGE DIR DAS LEBEN
DIE WOLKEN KOMMEN DIE WOLKEN GEHN
SIE BLEIBEN AUCH BEI DIR NICHT STEHN
SIE LASSEN UNS DIE TRÄNEN
SIE LASSEN UNS DIE TRÄNEN“
Dein Singen steckt an
Eine junge Reisende dreht sich um
und klatscht fröhlich
Deine Augen nehmen mich mit
zu einem auf dem Lande aufgewachsenen Mädchen
voller Sehnsüchte und Lebensfreude
Ja, sicher wirst du weiterziehen
wie der Wind
wie die Wolken
und uns stehen lassen
mit Tränen der Lebensbejahung
֎֎֎
Der Wirbelsturm
(22.9.2017)
Maria Mies und Saral Sarkar gewidmet
Ein Wirbelsturm war im Anmarsch
gewaltig, umfassend, überwältigend
Wir standen schwerfällig unbeschwert
beschäftigt tatenlos
mit dem Rücken zum Meer
In der schweren Luft
schwebte stumm eine dumpfe Ahnung
Einige drehten sich um
begriffen jedoch nicht die Gefahr
oder blieben gelähmt stehen
aufgrund des wahnsinnigen Bildes
Einige versuchten anderen zu berichten
über ihr beunruhigendes Wissen
wurden jedoch verstört belächelt
verfeindet, beschimpft, ausgegrenzt
Einige fingen an
ihre Erkenntnisse schlüssig umzusetzen
und bewegten sich folgerichtig
So fing die Befreiung an, meine Liebste
wie so oft zuvor in der Menschheitsgeschichte
֎֎֎
Abruzzen
(Abruzzen, Juni 2016)
Maria Mies gewidmet
Nun stehe ich hier
dieses weite Land ehrfürchtig
mit allen Sinnen aufnehmend
weiß-rot, gelb-grün, blau, rosa
Den duftenden Wind tief einatmend
das Meer am Horizont sehnsüchtig ahnend
frage ich mich immer wieder
wie wir den Verwüstern des Lebens trotzend
mit Hilfe der Gelähmten, Betäubten, Verführten
und doch tief im Herzen Bewegten
die Geburt der keimenden Gesellschaftsformation
ermöglichen können
֎֎֎
Erde
(17.12.2014)
für Maria Mies und Saral Sarkar
In unseren Herzen
tanzt das Licht,
singt der Wind,
liebkost der Regen.
In unseren Herzen
dichtet der Berg,
malt der Wald,
komponiert die Steppe.
In unseren Herzen
lobt die Quelle,
lehrt der Fluss,
liebt das Meer.
In unseren Herzen
lebt die Erde.
֎֎֎
Ich schließe mich der großen Trauer an. Die Welt hat eine großartige Kämpferin gegen die Globalisierung und gegen die Macht der Großkonzerne, die immer mehr zur Verarmung von breiten Massen der Bevölkerung beiträgt und zutiefst undemokratisch ist, verloren.
Ruhe in Frieden liebe Maria!
Amir Mortasawi und Rainer Andreas Seemann
Viele der Bücher von Maria Mies finden Sie, wenn Sie diesem Link folgen.
Sie muss eine bemerkenswerte, empathische und kluge Frau gewesen sein.
requiescat in pace
Mein herzliches Beileid für die Anhörigen und allen, die sie lieb hatten